Einer der Reize von SM ist, das es Deine Grenzen ausdehnen kann. Wenn Du diese Art von Spiel magst, wirst Du automatisch mehr und mehr probieren, immer höhere Stufen der Empfindung akzeptieren und mehr machen und mehr fühlen, als Du jemals zuvor gemacht hast.

Aber dieser Prozess ist langsam und schrittweise, und Menschen können keine Gedanken lesen. Es kann passieren, dass Du der Bottom in einer Peitsch-Session bist, Dein Top Dich peitscht und es plötzlich überhaupt nicht mehr gut tut. Du möchtest, dass es sofort aufhört! Genau das ist es, wofür ein Safewort steht. Ein Wort, das bedeutet: “Das funktioniert nicht! Die Session läuft irgendwie falsch. Bitte höre sofort auf!”

Ein Safewort muss ernst genommen werden. Vielleicht spielst Du einmal mit einem Top und ihr kennt Euch nicht so gut. Wenn dann etwas mit Dir passiert, was Du nicht magst, ist es ganz wichtig, einen Weg zu kennen, wie Du das mitteilen kannst. Sofort! Ganz besonders, wenn Du gefesselt oder irgendwie anders hilflos bist.

Jeder hat sein eigenes Safewort. Sehr häufig ist zum Beispiel “Gelb!”, für die Bedeutung: “Es ist etwas zu intensiv. Mach es leichter, aber hör nicht auf…” und “Rot!” für die Bedeutung: “Ich habe ernste Probleme und ich möchte, dass alles sofort aufhört! Keine weiteren Spiele, die Session ist vorbei, lass mich raus hier!” Manche Leute verwenden nur ein Safewort statt zwei, manche verwenden Worte wie “Goethe”, die sie niemals in einer Session verwenden würden. Auf vielen SM-Partys ist das universelle Safewort “Safewort!”. Aber jeder kann sich sein eigenes aussuchen. Es ist ein Sicherheitsventil, wenn etwas ausser Kontrolle gerät. Wenn Dein Top Dein Safewort nicht respektiert, dann kannst Du mit Sicherheit darauf wetten, dass er auch andere Limits von Dir nicht akzeptiert. Du wirst Dich entscheiden müssen, ob Du mit jemanden spielen möchtest, der Deine Grenzen nicht anerkennt.

Manchmal kann es schwer sein, ein Safewort zu verwenden. Es ist wichtig zu verstehen, dass niemand perfekt ist. Wenn Du als Top Deinen Bottom “überbeanspruchst”, bedeutet das nicht, dass Du ein schlechter Liebhaber oder ein schlechter Mensch bist. Es bedeutet nur, dass Du über ein Limit gegangen bist, von dem Du nicht wusstest, dass es da war. Oder Du warst müde oder unaufmerksam oder hattest nicht die gleiche Wellenlänge wie Dein Partner. Das passiert jedem von Zeit zu Zeit. Wenn Du Dich als Top ausgebrannt fühlst und die Session sofort beenden möchtest oder Du hast unerwartet eine mächtige Reaktion auf etwas bekommen und bist Dir unsicher, ob Du fortfahren sollst, dann kannst Du als Top ebenfalls ein Safewort verwenden. Safewörter sind nicht nur für Bottoms! Wenn Du als Bottom fühlst, dass Dich Dein Top bedrängt, und Du magst nicht mehr weiterspielen, weil es keinen Spass macht, dann wirst Du ein Safewort verwenden – Dein Top wird Dir dankbar sein, dass Du ihm mitgeteilt hast, wo ihr steht.

Ein Safewort ist nur ein Kommunikationsmittel, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ihr intensiv spielt, mag es hart sein, die Session zu stoppen und vom Gipfel mit einem Safewort geholt zu werden… aber wenn es sein muss, dann wisst ihr, wofür ihr Safewörter braucht. Einige Tops quälen Ihre Bottoms vorsichtig bis zu dem Punkt, wo sie das Safewort sagen. Auf diese Art bekommt der Bottom die Erfahrung, es zu verwenden. Ein Safewort, das niemals verwendet wird, kann als nutzlos gelten – und das wäre keine gute Eigenschaft eines Safewortes.

Manchmal wird Dein Top Dich knebeln wollen. Sei es, weil Du zu laut bist, weil Deine Hilflosigkeit gesteigert werden soll, Du frech warst oder warum auch immer. Du wirst trotzdem ein Safewort haben wollen, damit Du Deinem Top mitteilen kannst, dass das Seil zu stark festgezogen ist oder die Nippel-Klammern stechen oder was auch immer. Manche Tops verwenden ein Taschentuch in der Hand des Bottom. Wenn das Handtuch fällt, wissen sie, dass etwas schief läuft. Eine andere gute Idee ist das alte SOS-Zeichen: Drei laute Schreie mit gleich langem Abstand. “Ugh! Ugh! Ugh!”. Kein Knebel kann _alle_ Geräusche stoppen und dieses Signal funktioniert sogar, wenn die Hände in Fäustlingen oder in einer Zwangsjacke stecken.

Bevor Du mit jemanden zu spielen beginnst, ist es eine gute Idee zu besprechen, welches Safewort ihr benutzt und wie ihr reagiert, wenn das Safewort verwendet wird. Wenn Du gerade mit SM beginnst, ist es fast unvermeidlich, dass einige Sessions vorzeitig oder abrupt enden. Wenn Du diese Möglichkeit im Voraus berücksichtigst, und weisst, wie der andere gerne getröstet werden möchte oder welches “Heilmittel” er braucht, wird es das Erholen von der Panne wesentlich einfacher und angenehmer gestalten. Und nur weil eine Session schief gelaufen ist, ist es kein Grund zu glauben, dass Du oder Dein Partner grundsätzlich schlecht oder ungeeignet ist – Fehler können immer passieren. (Wenn Dein Partner Deine Bemühungen zur Vermeidung von Pannen nicht hören möchte oder dich verspottet oder verlacht, wirst Du auch zukünftige Fehler kaum vermeiden können. Wenn Eure Beziehung nicht aus schmerzvoller Erfahrung lernen kann, ist sie vielleicht noch nicht reif für SM. Und natürlich, diese Art an die Dinge heranzugehen ist ein wichtiger Teil in jeder Beziehung – mit SM oder ohne.)

Nicht jeder SM-Spieler verwendet Safewörter. Manche Leute finden sie nicht brauchbar für die Art, wie sie spielen – sie bevorzugen eine direktere Kommunikation. Manche Partner finden, dass die Notwendigkeit für ein Safewort immer geringer wird, je besser sie sich kennen. Manche Leute machen SM, wo der Bottom gar keinen verbalen Fluchtweg haben möchte (Dieses “kein-Safewort-Spiel” wird manchmal auch als “Edge Play” [“Gratwanderungs-Spiel”] bezeichnet). Eine Sache, die Du über die BDSM- Szene lernen wirst ist, dass die verschiedenen Stile sehr unterschiedlich sind und die Erfahrungen verschiedener Leute erstaunlich verschieden sein können. Aber für viele Leute, die mit ihrer Entdeckung beginnen (und viele, die schon enorm viel entdeckt haben) sind Safewörter ausgesprochen hilfreich.